Das Purpose-Business Prinzip
· Wie du ein sinnstiftendes & nachhaltig erfolgreiches Business aufbaust ·
Interview mit Andrea Werner (Frau Ottilie)
Andrea Werner ist Gründerin und kreativer Kopf von „Frau Ottilie“ – einem Label für nachhaltig produzierte, farbenfrohe Druckprodukte für Jung & Alt. Sie übernimmt bei „Frau Ottilie“ die kreativen Aufgaben, wie die Entwicklung neuer Produktideen und deren künstlerische Umsetzung, MitarbeiterInnenführung und Social-Media-Betreuung. Im Interview erzählt Andrea von der Gründung ihres Herzensbusiness, ihrer Mission, Authentizität im Business und vieles mehr.
Wofür steht „Frau Ottilie“? Was war der Antrieb für die Gründung deines Business?
Ottilie ist der Name meiner verstorbenen Oma. Sie hat mir ihre Nähmaschine vermacht und mit dem Nähen von Stofftieren fing alles bei Frau Ottilie an. Zur zweiten Frage kann ich eigentlich nur sagen, dass es reine Freude und Leidenschaft für das kreative Schaffen war. Das spielt noch immer die größte Rolle. Mittlerweile schätze ich aber auch die Freiheit meines Jobs sehr und die Möglichkeit, Menschen mit unseren Produkten zum Nach- und vielleicht sogar Umdenken anregen zu können und somit etwas Sinnvolles zu tun.
Warum ist ein Umdenken bei der ökologisch nachhaltigen Produktion von Drucksachen nötig und wie kann das gelingen?
Ich denke ein Umdenken in diesem Bereich ist überall nötig, nicht nur in der Produktion von Papierware. Wir, und viel stärker noch unsere Kinder, stehen vor der wohl größten bisher dagewesenen Herausforderung, dem Klimawandel. Jeder einzelne muss umdenken – die Wirtschaft sowieso und an erster Stelle.
Drucksachen ökologisch zu produzieren ist ganz einfach, denn es gibt umweltfreundliche Druckereien, die sich darauf spezialisieren, mittlerweile eine ganze Reihe in Deutschland. Dort wird nicht nur auf Recyclingpapier gedruckt, sondern auch mit mineralölfreien Ökofarben. Außerdem achten sie auf die Reduktion von CO2 Emissionen durch zum Beispiel regenerative Energiequellen und unterstützen Umweltschutzprojekte. Sie sind teilweise einen Ticken teurer als konventionelle Druckereien und können auch nicht alles umsetzen. Da muss man für sich persönlich einfach Prioritäten setzen und ich denke das ist der Schlüssel zu mehr Umweltfreundlichkeit in fast jedem Unternehmen. Wir haben uns irgendwann dazu entschieden auf einen Teil des Gewinnes und die Entwicklung bzw. Produktion bestimmter Artikel zu verzichten.
Was denkst du: Warum produzieren deiner Meinung nach noch so wenige Unternehmen wirklich nachhaltig?
Sicher ist, dass Umweltschutz zunächst einmal ein erstrebenswertes Ziel sein muss. Das Bewusstsein dafür ist wahrscheinlich nicht bei allen Unternehmer*innen da. Daneben bedarf es viel Recherchearbeit. Wo und wie kann ich nachhaltig produzieren, einkaufen oder arbeiten? Bei uns zum Beispiel schließt das neben der Produktion auch den Versandprozess mit ein oder die Wahl des Geschäftskontos. Außerdem die Frage danach, welche Projekte wir unterstützen möchten etc. Das alles ist viel Arbeit, man muss also mit Herzblut bei der Sache sein. Außerdem glaube ich, wie schon gesagt, dass das Umdenken in Bezug auf Gewinnmaximierung zentral ist. Gar nicht so leicht in unserem Wirtschaftssystem, das leider primär nach dieser Logik funktioniert. Nachhaltig wirtschaften bedeutet in der Regel, auf einen Teil des möglichen Gewinnes zugunsten der Umwelt zu verzichten. Dazu muss man bereit sein. Ich bin aber tendenziell optimistisch. Es gibt immer mehr UnternehmerInnen, die großen Wert auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität legen – das liegt wahrscheinlich auch daran, das die Nachfrage bei den VerbraucherInnen steigt.
Warum sollte ein Business immer auf den eigenen persönlichen Werten aufgebaut sein?
Ich glaube ich hätte Frau Ottilie schon das ein oder andere Mal an den Nagel gehängt, wäre es nicht Ausdruck meiner persönlichen Werte und somit eine Möglichkeit für mich, die Welt ein klitzekleines bisschen bunter und freundlicher zu machen. Etwas, was mir viel bedeutet. Ein solches Fundament stärkt auf jeden Fall die Ausdauer mit der man ein Business betreibt, denn das ist neben all der Freude und dem Bauchkribbeln nicht immer reinster Sonnenschein, sonder verlangt einem auch viel ab. So wirklich Feierabend gibt es nicht und oft läuft mindestens eine Sache schief, die man richten muss.
Zweifel, ob es der richtige Weg ist, den man da gerade einschlägt, sind gerade am Anfang der Selbstständigkeit auch völlig normal. Könnte ich nicht 100% hinter dem stehen, was und wie wir es machen, weiß ich nicht, ob wir so weit gekommen wären.
Warum ist Authentizität im Business so wichtig?
Ich bin davon überzeugt, dass man erfolgreicher ist, wenn man tut wovon man wirklich überzeugt ist. Das spüren andere Menschen, in unserem Fall unsere Kund*innen. In jeder meiner Illustrationen steckt der ein oder andere Tropfen Herzblut – das ist besonders für Produkte die auf sehr persönliche Bereiche und emotionale Zeiten abzielen wichtig. Ich denke da zum Beispiel an unsere Erinnerungsalben für die Schwangerschaft oder das erste Babyjahr, aber auch an unsere Letterings, deren Texte auf Anhieb verraten, dass hinter diesen Worte meine persönliche Weltsicht bzw. meine persönlichen Werte stecken. Immer wieder bekommen wir herzerwärmende Nachrichten, die besagen, wie gerührt unsere KundInnen von diesen Artikeln sind. Das ist das Allerschönste!
Auf welchen Prinzipien beruht dein Business? Sind Mitarbeiter*innen am Unternehmen beteiligt und inwieweit können diese sich einbringen? Wie werden Gewinne verwendet?
Wir sind ein sehr kleines Unternehmen, mit zur Zeit vier MitarbeiterInnen in Teilzeit, die von den Stunden her insgesamt auf eine volle Stelle kommen. Drei davon unterstützen mich zum Beispiel in der Betreuung der Social Media Kanäle. Diese Arbeit bietet Raum, durch Text und Bild kreativ zu sein und setzt voraus, das Unternehmen und auch mich gut zu kennen. Diese Zusammenarbeit macht auf jeden Fall viel Spaß! Nach verkaufsstarken Zeiten, wie zum Beispiel Weihnachten oder Einschulung zahlen wir unseren MitarbeiterInnen immer eine Art Gewinnbeteiligung aus, das ist uns sehr wichtig. Auch auf Extrazahlungen, wie zum Beispiel einen „Coronabonus“ etc. legen wir viel Wert. Außerdem spenden wir regelmäßig an humanitäre und/oder Klimaorganisationen.
Warum ist es in deinen Augen wichtig, die tägliche Arbeit mit einem höheren Sinn (bzw. einer Mission) zu verknüpfen?
Ich kann nur für mich persönlich sprechen, aber alles andere würde mich auf lange Sicht nicht glücklich machen. Dieser Sinn, ein wenig Freude und den Gedanken von Umwelt- und Artenschutz in die Welt zu tragen, lässt mich auch in anstrengenden Zeiten produktiv sein und sorgt für eine Art intrinsische Motivation für mein Tun. Es geht einfach immer weiter und ich fühle mich von Idee zu Idee getragen. Auch wenn dazwischen mal ein Tal auftaucht, weiß ich, wofür ich dort hindurch stapfe.
Sind bei euch alle Komponenten des Unternehmens nachhaltig, z.b. auch innerhalb der Büroräume? Wie genau setzt ihr das um?
Bestimmt nicht alle Komponenten, aber ich würde sagen, es ist so nachhaltig und umweltfreundlich wie möglich – auf kreative Weise. Ich kann neben der beschriebenen ökologischen Produktion mal ein paar Beispiele geben:
Ein Teil der Büroeinrichtung ist von Ebay-Kleinanzeigen. Der Rest ist neu, weitestgehend aus Holz und minimalistisch oder aus benachbarten Büros übernommen, die umgezogen sind und nicht alles mitnehmen konnten. Da lege ich definitiv mehr Wert auf Ökologie statt auf Style. Wir verzichten auf Plastik bei der Verpackung und versuchen so viel Verpackungsmaterial wie möglich wiederzuverwenden. Irgendwann ist eine unserer Mitarbeiterin auf die Idee gekommen, beschädigte Ware als Druck-, Skizzen- und Schmierpapier zu benutzen. Wir haben in der Büroküche immer einen Vorrat an Getränken und Lebensmitteln, da kaufe ich nur Bioprodukte. Auch Geschenke für die MitarbeiterInnen sind ausschließlich ökologisch/fair produziert.
Welche Marketing-Aktivitäten nutzt ihr. wie geht ihr bei der Kundengewinnung vor? Ist auch hier Authentizität wichtig und wie setzt ihr das um?
Wir schalten zum Beispiel Werbung auf den Social Media Kanälen und Google. Ehrlich gesagt ist das schon fast alles – auf diesem Wege erreichen wir sowohl Privatkunden als auch Händler, die mittlerweile auch alle auf den gängigen Social Media Kanälen vertreten sind. Sebastian, mein Lebens- und Geschäftspartner, der diese Anzeigen schaltet und verwaltet, sagt immer: „Deine Illustrationen selbst sind die beste Werbung, ich muss nur schauen, dass viele Leute sie sehen können.“ Ich glaube wir haben Glück mit unseren Produkten. Es ist auf den ersten Blick zu erkennen, was wir machen, es spricht das Auge an, das eigentliche Ziel von Kunst und dieses Auge entscheidet dann, ob es gefällt oder nicht. Es bedarf wenig begleitender und erklärender Worte. Außerdem posten wir regelmäßig auf Instagram und Facebook, um unsere Follower und Kund*innen auf Neuigkeiten oder auch altbekannte Produkte aufmerksam zu machen. In den Stories nehme ich die Zuschauer gerne mit auf den Entstehungsweg einer Illustration oder gar eines Produktes – ich glaube, hier kann man einen sehr authentischen Einblick in meine Arbeit gewinnen und teilweise auch indirekt von mir als Person. Ich habe das Gefühl, dass das unseren Kund*innen sehr wichtig ist und sowohl Vertrauen als auch Vertrautheit schafft.
Nutzt ihr bei „Frau Ottilie“ auch Möglichkeiten für passives (automatisiertes) Einkommen z.b. über digitale Produkte?
Wir bieten seit einigen Monaten eine handvoll Illustrationen als digitalen Download bei Etsy an, wollen diese Sparte aber eigentlich nicht weiter ausbauen.
Was sind deiner Meinung nach die 3 wichtigsten Kriterien für ein stabiles, nachhaltig erfolgreiches Business in der heutigen Zeit?
1. Freude an dem was man tut und Ehrgeiz und Fleiß, um stetig besser darin zu werden.
2. Bei aller Liebe fürs Detail und Herzblut für die Sache bedarf es unbedingt auch Pragmatismus und Rechnen, denn es warten ganz schön viele bürokratische Herausforderungen auf einen und wenig finanzielle Absicherung im Falle dessen, dass man sich verkalkuliert.
3. Ein tolles Team! Und ein gutes Arbeitsklima, das sich durch Vertrauen und ein gesundes Gleichgewicht von Geben und Nehmen auszeichnet. Ohne unsere langjährigen Mitarbeiter*innen, auf die wir uns wirklich verlassen können, wäre unser Business kaum denkbar.
Vielen Dank, liebe Andrea!